Nellis und Janas großes Abenteuer

Fünfte Woche

4. April

So, jetzt bin ich 30! Und genauso unausgeschlafen wie mit 29 oder wie alle, die in ihren Geburtstag reingefeiert haben. Nur dass ich nicht gefeiert habe, sondern vor lauter Asthma nicht schlafen konnte. Die dritte Nacht hintereinander ... muss wohl an dem genialen Einfall des Planers liegen, die Klimaanlage aus dem Boden pusten zu lassen, damit sie auch ja jedes Fitzelchen Staub, Schuppen oder sonstwas Leckeres nochmal kräftig durch die Luft bläst. Mal sehen, ob und wann ich das nächste Mal wieder umziehe. Interessant, so ein Geburtstag! Aber es haben mir viele, viele, viele liebe Leute gemailt und ich habe geniale Geschenke gekriegt. Hiermit an ein groooooooßes Danke an alle Teilaktionäre des MP3-USB-Sticks. Die Batterie hab ich schon fast leer. Macht aber nix. Morgen nach der Arbeit muss ich eh mal wieder Einkaufen fahren. Noch ein bisschen fluoreszierende Limo kaufen, Salat für die einsame Salatsaucenflasche und gaaaaaaanz viel Campbell's Soup. Peanutbuttercups im Familienpack hab ich vorgestern dann auch endlich gefunden für meine Mamagans. Auf die Klarinette freue ich mich schon mehr, als ich sagen kann. Sigi und Andreas haben die Heimlichtuerei wirklich astrein hingekriegt.

Viel tippe ich heute nicht mehr zusammen. Mir frieren die Finger ab, weil ich grade Durchzug mach und das Zimmermaidle tatsächlich die Klimaanlage ausgelassen hab, wie ich ihr in Riesenlettern auf einen Zettel geschrieben hab. Kalt werde ich es haben, aber hoffentlich nicht so staubig. Es soll die Nacht wieder schneien. Das kommt bestimmt davon, dass ich Sandalen gekauft hab. Im Moment bin ich mal wieder dankbarer Benutzer meine Fleecepuschen.

Das Essen im Bombay House war total lustig. Nur Brynne, Elizabeth, Scott und ich. Aber hot kann man das scharfe Essen da nicht nennen. Pawars Babybrei würde bei denen Medium heissen. Nix für Hubert und JJ, für Berthold auch nicht. Brynne hat mir sogar ein Geburtstagsgeschenk gemacht: Stricknadeln und Wolle :) Das hat man davon, wenn sich zwei fanatische Strickerinnen treffen. Evtl. geh ich mal mit ihr nach SLC shoppen. Musiknoten jagen, ganz was anderes. Weil wir nämlich beide hinter dem Boccherinistück von Master & Commander her sind. Sie für ihre geigenden Töchterlis und ich für Flöten. Klarinette lieber nicht. Arme, arme, arme Nachbarn.

5. April

Wieder ein Umzugstag. Heute morgen kam der Marschbefehl zurück ins Residence Inn. Heute abend bin ich wieder drin. Mein altes Zimmer liegt gleich den Gang runter. Das neue ist ein genaues Spiegelbild. Will jetzt nicht behaupten, dass ich mich Zuhause gefühlt hab, als ich die Tür aufgeschlossen hab, aber ein bisschen war es schon so. Hier ist die Klimaanlage wenigstens nicht intelligenter als ich und vor allem sitzt sie nicht im Teppichboden und bläst mir alles wieder ins Gesicht. Ich bin mehr als erleichtert und allen dankbar, die in Provo, Boston und bei SUSE daran gearbeitet haben, dass es so schnell ging. DANKE, DANKE, DANKE. Endlich wieder schlafen ohne Panik zu haben!

Hab einen neuen Rekord im Kofferpacken und Umsiedeln aufgestellt: Um 4 bin ich aus der Arbeit, um 10 nach 4 war ich im Condo und um 5 war alles gepackt. Nach noch nicht mal 90 min waren alle Koffer, Taschen, Tüten und Schuhe schon im neuen Zimmer. Letzten Donnerstag hab ich für das Packen allein zwei Stunden gebraucht. Wenn das so weitergeht, ernenne ich mich zum "Senior Relocation Specialist". Das Wetter ist schlimmer als ein Euro-April. Morgens Schnee und Eis und abends im T-Shirt und offenen Sandalen rumlaufen. Hab versucht, Akkus für meinen MP3-Player zu kriegen, aber ich bin entweder zu dumm oder die Frommen und Freien halten in ihrem Wegschmeisswahn nichts von Akkus. Sehr ärgerlich! Anscheinend gibt es auch keinen Sondermüll, wo man die leeren Batterien entsorgen kann. Grrrmpf!

Der Schock des Tages war als das Bubilein hier an der Rezeption meinte: "You will be staying with us for 63 (!!!) days?". Das ist noch verd...t lang hin. Aber 5 von 13 Wochen klingt da schon ermutigender :) Ausserdem halse ich mir — naiv, wie ich bin — immer mehr Arbeit auf. Langweilig wird es nicht. Ich werd die Tage mal eine 9.3 installieren und ein bisschen was für die CoolSolutions Leutchen schreiben. Hat was von den guten alten Portalzeiten. Scheee war's ...

6. April

Oh boy! Hoffentlich hat niemand gedacht, ich ginge hier auch Urlaub oder Gnadenbrotsbasis hin. Kaum setzt man unschuldigerweise mal ein Meeting mit Leuten an, die man noch nie gesehen hat, purzeln die Ideen nur so durcheinander und jeder kommt aus der ganzen Sache mit mehr Arbeit raus, als er sich jemals vorstellen kann. Hab heute mit zwei Supportwichteln gehirnt und wir waren nach einer Stunde immer noch nicht fertig mit Träume von der Realität trennen. Es ist furchtbar viel dabei rumgekommen, aber jeder von uns wird sich noch wundern, was seine Zusagen von heute für Folgen haben. War aber ähnlich produktiv wie die besten SLES9-Meetings mit Ralf. Tut guuuut, wieder so richtig Vollgas zu geben und vor allem dabei Unterstützung zu haben.

Morgen geht die Meeting-Madness in eine nächste Runde ... Lalala, eines Tages kann man dann auch vielleicht wieder in Ruhe all das zusammenschreiben, was man zugesagt hatte. Irgendwie könnte ich mir vorstellen, dass ich ein paar Novellis sehr vermissen werde, wenn ich wieder in N bin. Trish sowieso, Elizabeth (weil man gewisse Projekte nur zu zweit ertragen kann), Brynne (weil es lustig ist, einen Satz anzufangen, den die andere dann zuendebringt und weil sie die gleiche Musik liebt wie ich) und Scott (... weil sein Ami-Ösi-Deutsch so herrlich ist und er alle Tage mal ein paar ts vergisst) und ... . Aber noch bin ich noch laaaaaaaaaaaange hier und ausserdem kriegen wir den Möchtegern-Ösi ja ausgeliehen.

Freitag ist Kulturtag. Brynne und ich gehen in Springville mexikanisch essen und danach ins Kunstmuseum. Hab auch wieder was gelernt: Wenn ein Ami meint, etwas Essbares sei "hot", dann meint er "schmeckt pikant, aber nicht so scharf, dass ich den Koch verklagen möchte". Hubert lag da schon sehr richtig. Wenn man richtig scharf essen möchte, muss man wahrscheinlich eine Verzichtserklärung unterschreiben, in der man auf Klage ausdrücklich verzichtet. Oder Scott fragen, der mag es, wenn "die Haare schwitzen". Genau der richtige Kumpel für Berthold und JJ :)

7. April

Ist wohl schon ein bisschen pervers, um sieben Uhr abends in eine Art Bewusstlosigkeit zu fallen. Fast wie ein Jetlag, aber der sollte nach über vier Wochen lange weg sein. Jedenfalls blubbere ich heute nicht viel, weil ich nämlich müde bin. Nachdem ich mich gestern schon über mein Arbeitspensum gewundert habe, sollte ich wohl ab heute den Verstand verlieren. Das nimmt eher zu als ab. Macht wahrscheinlich auch Spaß, aber ich hätte auch gern den Überblick :) Mal gucken, ob ich morgen nach einer guten Mütze voll Schlaf und mit Aussicht auf ein wunderbar faules Wochenende klarer sehe ... . Bis dann!

8. April

Wieder eine Woche rum :) Und mit einer Nacht Abstand auf das Arbeitschaos von gestern hat sich das auch wieder entspannt. Die schlimmsten Sachen hab ich erstmal fertig und für das Problem, das ich mit den Supporten gewälzt habe, kristallisiert sich eine hübsche Lösung raus. Feines Gefühl, so aufgerämt ins Wochenende zu gehen. An der Heimatfront in N gehen seltsame Dinge vor — ich bin, glaub ich, gar nicht so undankbar, dass ich sie (erstmal) nur indirekt mitkriege. Das ist gesünder für die Psyche...

Das beste am Arbeitstag heute war die Pause: Brynne und ich sind nach Springville ins Springville Museum of Art gefahren und vorher zum Mexikaner Mittagessen gegangen. Letzteres war das Erste und sehr lustig. Das Essen war soweit OK, aber interessanter war die ein bisschen runtergekommene, quietschbunte Atmosphäre und die urigen Eingebørenen. Da waren wirklich echte Originale drunter. Hätten auch aus einem Film wie "Oh, Brother Where Art Thou?" stammen können. Seeehr interessant.

Das Museum war super eindrucksvoll. Springville ist ein Kaff der übelsten Sorte. Sorry, Stephanie und Gary, das ist die Wahrheit. Nichts als Tankstellen, Drive-ins und seltsame Häuserlein. Umso erstaunlicher, dass mittendrin ein altes spanisches Haus steht mit einer Kunstausstellung, die man in so einem Dorf echt nicht erwarten würde. Am meisten haben uns die russischen Bilder angetan (hier gucken). Irgendein schlauer Geschäftsmensch (vielleicht auch ein Gauner?) hat sie den Russen abgekauft, kurz bevor denen eingefallen ist, ein Gesetz gegen sowas zu erlassen. Die Sammlung ist jedenfalls ein bunter Mischmasch aus den verschiedensten Stilrichtungen. Mir haben es die leicht tragisch angehauchten Bilder am meisten angetan (nein, sagt nicht die pathetischen). Es gab eins mit einem kranken kleinen Jungen (Schwindsucht?) im Bett, an dem sein Vater (angeblich Fischer) hockt. Die Farben waren froh, aber trotzdem hat einen das Elend der beiden umgehauen. Diesen Kontrast fand ich das Tollste am ganzen Bild. Hätte auch von Munch sein können. Ein anderes tolles Bild hat mich an den Film "Der Pianist" erinnert, ihr seht hier, warum. Zwar ist der Pianist in diesem Fall Russe und das Klavier deutsch und nicht wie im Film der Pianist Pole in Warschau, aber die Situation ist sehr ähnlich. Dann gab es noch Landschaftsbilder mit hässlich hoffnungslosen Winterszenen. Ich hab mich sehr an tschechische Winter in Decin erinnert. Die Braunkohle in der Luft konnte ich fast riechen.

Daneben gab es noch jede Menge einheimische Kunst. Wunderschöne Landschaften mit Auschnitten aus den Nationalparks. Auf den ersten Blick waren die Farben manchmal übertrieben, aber mit leicht geschlossenen Augen haben diese Sonnenuntergänge auf einmal Sinn gemacht. Andi, wir sollten vor unserer Tour de National Parks da mal vorbeigehen.

Hab eben versucht, interessehalber das Buch Mormon zu lesen, das einträchtig neben einer Gideoniterbibel in einem meiner Nachtschränkchen liegt. Erinnert mich irgendwie an Fantasyliteratur (hat Kollege Schraitle auch schon erkannt), bisschen wie Tolkien's Silmarillion. Kann an beides nicht glauben, aber das muss ich ja auch nicht :) Werde es wohl nicht weiterlesen, sehne mich aber nach meinen LOTR-Hörspielen und den DVDs. Das hat man davon, wenn man das Buch Mormon liest. Ob das gewollt war?

Wetter? Ja, haben wir auch. Mittlerweile hat es so viel geregnet, dass alles grün ist, was vorher braun war. Dummerweise regnet es auch munter weiter. Das heisst, ich werde wohl mal wieder einen Schlechtwetterplan aufstellen, der mich dann wahrscheinlich wieder zu Borders führt. Wenn es mal schön wird, werde ich den Provo Canyon wirklich erwandern. Besser noch wären Inliner oder ein Fahrrad ...

9. April

Irgendwie bin ich doch in den November geraten. Kalt, windig und manchmal auch nass. Von wegen Fototour :( Wie gestern schon prophezeit, bin ich wieder mal bei Borders hängengeblieben. Lesestoff fürs Wochenende kaufen und mich sonstwie umgucken. Es wird höchste Zeit, dass Andi kommt und auf meine Geldausgebegewohnheiten ein Auge hat. Es hat mich wieder schwer erwischt. Jetzt bin ich stolze Besitzerin einer wunderschönen, sehr seltsamen CD mit Musik entlang der Seidenstraße. Nichts zum Nebenherlauschen, aber wenn man sich drauf einlässt, ist es wirklich Stoff der Extraklasse. Leute mit einem funktionierenden Realplayer oder so, können hier lauschen. Anspieltips sind 2,3,12 und 14. Manchmal erinnert es ein bisschen an die Hintergrundmusik beim Pawar. Die, wenn er nicht grade seine Bollywoodsoundtracks runternudeln lässt. Die Vorgänger-CD hab ich auch hier gefunden, lauschen kann man hier. Die ist noch ein bisschen schräger, aber die finnischen und italienischen Sachen gehen sofort ins Ohr und der Rest fasziniert spätestens beim zweiten Hören.

Genug Werbung gemacht. Hab ein bisschen Halsschmerzen, keine Ahnung woher :( Aber faule Wochenenden sind das beste Heilmittel. @Antje: Hab noch eine supergute Zeichenschule für wenig Geld gefunden. Da ist endlich mal eine Analyse drin, wie man durchsichtige Sachen zeichnet. Hab mich wieder mal bis zu den Ellenbogen mit Graphit und Kohle eingesaut, bis ich einsehen durfte, dass Selbsthilfebücher nun mal nicht alles sind. Wird aber noch öfter freie, verregnete Momente geben, in denen ich üben kann ...

10. April

Von wegen, faule Wochenenden sind gesund. Asthmatechnisch sollte ich vielleicht lieber draussen Zelten. Ich HASSE Teppiche und Klimaanlagen. Zwar ist es im Hotel lufttechnisch um Klassen besser als in den Condos, aber noch geht die Schnauferei noch lange nicht so, wie ich mir das vorstelle ... Naja, muss der Andi sich nicht so schämen, wenn er bei unseren Wanderungen nicht fit ist. Ich werde es auch nicht sein :) Es lebe die Gerechtigkeit!

Zum Bronchienlüften bin ich heute wieder mal in den Provo Canyon reingewandert. Wetter war zwar trocken, aber seltsam verhangen und kalt. Den Erfindern des Jack Wolfskin Blizzards hier mal wieder meine wärmsten Glückwünsche zu ihrer Erfindung. Ich bin über zwei Stunden fast allein in Richtung Bridal Veil Falls unterwegs gewesen. Einfach nur schön! Wenn Andi da ist, sollten wir uns echt mal Fahrräder ausleihen und die ganzen 14 Meilen oder wieviel das genau ist, abfahren. Wenn man sich auf die Landschaft konzentriert, vergisst man fast, dass man auf einer Art Freizeitautobahn wandert.

Die Fotos von heute mal in Schwarzweiss, weil das Licht danach war und weil ich die Digikam damit mal ausprobieren wollte. Nicht über die starken Kontraste wundern, das waren GIMP und ich. Die Standardeinstellung der Kamera macht so ein depressives Grau. Wenn ich mal Zeit habe, bearbeite ich die Fotos richtig nach. Jetzt aber nicht :)

Die Ansicht gibt es bestimmt auch schon in bunt ...

Irgendwo dahinter sausen Autos lang. Das vergisst man aber schnell.

Warum das Ufer mit alten Autos "vollgeparkt" ist?

Noch mehr Uferbefestigung ...

Hier hab ich krass am Kontrast gedreht ...

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