Nellis und Janas großes Abenteuer

Achte Woche

25. April

Hihi, heute den ganzen Tag über Leute auf die Operaseiten geschickt, damit sie sich an den Bildern des badenden CEOs erfreuen. Wenn das mal nicht mit Abstand der genialste PR-Stund des Jahres ist. Und ich bin mitschuld, dass er planscht und mein Vater auch. Wir haben geholfen, die Millionengrenze der Downloads zu knacken. Es kursieren schon die wildesten Gerüchte, wie er dahin schwimmen kann. Die plausibelste Route ist diese hier (Euer Browser muss SVG können!). Bin gespannt auf den nächsten Etappenbericht morgen — und ob der PR-Mensch schon aus seinem Gummiboot gekippt ist :)

Mein armer Mann hat fast bis Mitternacht Klamotten gepackt und ist sich immer noch unsicher, ob er alles eingepackt hat. Ist mir egal, auf sein Gepäck kommt es mir nicht an. Noch VIER Tage! Ausserdem, je mehr er vergisst, desto mehr Platz hat er für meine Sachen auf dem Rückflug ...

26. April

Ich bin eine Prophetin (oder nach Scotts Auslegung sogar eine Göttin). Ich hab doch gestern rumgesponnen, dass der Opera-PR-Mensch absäuft. Naja, und er ist abgesoffen und musste heroisch von seinem Chef gerettet werden :) Schade, dass die Geschichte schon vorbei ist. Ich hab mich morgens immer auf die Lektüre gefreut :(

AJ ist nach peinlichen Wirren (tja, der Flieger nach München ist leider kaputt, nehmt doch ein Taxi) endlich in Boston. Endlich auf dem gleichen Kontinent wie ich! Jipheee! Abends nicht mehr bis in die Puppen aufbleiben zum Telefonieren und Mails in Echtzeit beantwortet kriegen. Paradiesisch! Ein bisschen bin ich grad seine persönliche Assistentin. Dauernd handle ich irgendwelche Dates in Provo für ihn aus. Mal sehen, ob er nachher doppelt und dreifach verplant ist ...

Und noch was Feines: Nach drei Wochen zurück im Residence Inn ist meine Atmung wieder in alter Form und das Cortison wieder auf normalem Niveau. Puuuh! Es hat schon arg genervt.

27. April

Ich weiss nicht, was Andi hier will. So depressives Wetter hatten wir lange nicht mehr :( Naja, er kommt ja wohl hoffentlich nicht wegen dem Wetter.

Noch was, was ich nicht weiss, ist, ob sich was ändert (posi- oder negativ) durch meinen Aufenthalt hier. Ich rede jetzt nicht von erfreulichen Gewichtsveränderungen meinerseits ... aber eins bin ich schon schuld: Brynne ist innerhalb von drei Wochen drei Mal beim Inder gewesen. Das erste Mal bei meiner kleinen Geburtstagsfeier im Bombay House und danach ist sie anscheinend wöchentlich mit ihrem Mann losgezogen. Soviel zu "Wir machen Novell grün" :)

Neben der Mamagans, die ihren Kater an mich delegiert, hat jetzt auch mein Mann das Feature des stellvertretenden Leidens für sich bzw. mich entdeckt. Ich hab seinen Jetlag — oder ist es vielleicht normal, abends um halb sechs auf dem Bett zusammenzuklappen und an die Zeit danach erstmal keine Erinnerung zu haben? Wie machen die das alle? Ich würde auch gern mal meine Kopf- oder besser noch Rückenschmerzen jemand anderem angedeihen lassen. Machen die anderen Voodoo? Soll ich vielleicht Nellie mit Nägeln spicken? Bin etwas ratlos und möchte Mamagans an dieser Stelle bitten, sich die nächsten 10 Tage mit der Pichelei ein bisschen zu beherrschen, damit ich meine Zeit mit AJ hier genießen kann :)

28. April

Dass mir niemand niemals wieder was von Utah, dem Wüstenstaat erzählt. Es regnet, gewittert und dunstelt, dass einem Fisch das Herz im Leibe lacht. Mir lacht es nicht — aber dafür lacht es morgen abend um halb acht einem Inlandsflieger von Boston aus entgegen.

Es wird allerhöchste Zeit, dass ich wieder nach Hause fahre, ich vergesse langsam, aber sicher, wie man mit unseren Hardcoretools umgeht. Novells Komforttools lullen mich mit jedem Tag mehr ein. Im Juni kommt dann ein Weichei zurück, fürchte ich. Da ich aber gleichzeitig Scott sanft auf den Sprung ins kalte SUSE-Wasser vorbereiten muss, muss ich mir das Zeug genauso wie er wieder erarbeiten. Peinlich, peinlich :) Aber machbar. Die ganzen Emacs-Shortcuts sind nach einem hochpeinlichen Blackout gestern schon alle wieder da. Ausserdem kann ich jetzt ja langsam anfangen, mich mit meinem Alter zu entschuldigen. Ab 30 geht es halt steil bergab ...

Heute war bei Novell Kinderbesuchstag. Es hat vor lauter Kleinzeug nur so gewimmelt — die waren auf Safari und haben, dem Lärmpegel nach zu urteilen, sehr viel Spaß gehabt. Immer noch besser Kinderlärm als die ewig gleichen Labermeetings im Zimmer nebenan. Ich wohne neben einem Konferenzraum. Und besonders schön ist es, wenn da Confcalls stattfinden. Grrrrrrrrrrrrrrr!

Jetzt muss ich aber in die Falle. Morgen darf ich nicht wie sonst einfach um halb sieben ins Bett fallen — ich muss Autofahren :(

29. April

Hab einen Mann eingesammelt — meinen Mann! Und das Autofahren war gar nicht schlimm, wenn man mal vom Stau vor der Haustür bis 12 Meilen weiter absieht. Ich hab schon befürchtet, dass mein armer Mann eine Stunde warten muss, oder so, aber es hat vollkommen geklappt. Noch nicht mal fürs Parken bezahlen mussten wir. Mir taten zwar die Augen vor lauter Anstrengung weh und meinen Mann hab ich geschockt mit "Was steht denn auf dem Schild davorne", aber es ist alles wunderbar glatt gelaufen. Olli hätte meinen Fahrstil nicht wiedererkannt — der Beifahrer konnte sich heute entspannt zurücklehnen :) Die Augen werden nach dem Nakuk mal wieder der Babs vorgeführt, evtl. darf's ein bisschen mehr sein fürs vierte Lebensjahrzehnt.

Mein Mann liegt auf der Couch und guckt mir beim Bloggen zu. Solchen Anblick hätte ich gern mal öfter gehabt ... Er hat mir lauter feine transportable Geburstagsgeschenke mitgebracht. Danke für liebe Gutscheine, die superschöne Traumzeitkette und die Spezereien :)

Die AJ Spezis waren noch bei Ottavio's Essen. Das erste Mal nach zwei Monaten wieder einen Schluck Wein getrunken. Mjammm! Ich bin nicht so versoffen wie die restliche Wichteltruppe — ja, MG, ich hatte heute Kopfschmerzen — aber ein bisschen Wein darf es schon sein.

So, wir müssen jetzt mal Schlafen, damit wir für Park City ausgeschlafen sind. Vielleicht darf ich morgen auch mal Beifahren :) Ausserdem müssen wir ja jede Menge Jeansen einkaufen für Zurückgebliebene :) Gute Nacht, liebe Leser!

30. April

Stolz wie Oscar wollte ich heute Andi die wunderhübsche Strecke nach Park City vorführen und ihn sogar chauffieren, wurde aber nix draus. Totaler Regen, Schmuddelwetter und in Park City sogar Schnee bis zum Abwinken. Nix Kaiserwetter ;( Dafür Fahrertraining und eine kleine Verschiebung unserer Prioritäten — Shopping in den Outlets zuerst, Touritrip in die "historische" Innenstadt hinterher.

War eine gute Idee, nachher ist das Wetter nämlich aufgeklart und von Schnee nichts mehr zu sehen. Dass Andi wirklich und wahrhaftig hier war, werde ich jetzt auch immer an den Kreditkartenabrechnungen sehen können. Der Mann kann jeder Frau beim Shoppen das Wasser reichen und hat superschöne Klamotten gefunden :) Die bestellten Jeansen für meine Schwesterherzen wird es auch beide geben. Allerdings gab es keine 555 (stattdessen GAP) und die Farbwünsche mussten wir genau umgekehrt auslegen. Vielleicht passen und gefallen sie ja trotzdem. Wenn nicht, nehme ich sie gerne ab. Ich passe in beide rein :)

Nach beinah unanständig viel Geshoppe sind wir dann gen Innenstadt gebraust und Andi durfte das erste Mal mit dem Untier von Auto fahren :) Ist ihm zu klein (zum Sitzen), zum Wenden ist es immer noch ein bisschen unhandlich :) Park City bei Regen ist genauso tourifallerisch wie Park City ohne Regen. Aber um eine Einsicht sind wir reicher: Der besoffene van Gogh mit dem Absinth kostet (ungerahmt) $45. Wirklich echt unverschämt. Muss ja nicht sein ...

Mein lieber Mann hat die komplette Rückfahrt übernommen, damit ich auch mal Beifahren konnte.

Nix mehr mit Brial Veil Falls

Zu, zu, zu und nochmal zu. Wir sind so ungefähr die Einzigen, die diese Schilder ernst nehmen. Aber die Lawinen sahen echt nicht gut aus :(

Es wird dann doch mal grün

Spätestens im Sommer kommt er doch — der Frühling ...

Schnee und Matsch und Lawinen

Schnee, Steine, Schmuddelwetter :(

Traumwetter im Traumcanyon

Nette Wolken, oder? Da hängt noch Schnee drin :(

Die AJs haben ihren Hochzeitstag mit allem Pomp und Gloria in Sundance begangen und haben auch noch Stunden später Sterne in den Augen, wenn sie sich an das tolle Essen und die urige Atmosphäre im Tree Room Restaurant erinnern. Oli und Alex: Das ist wie das Nakuk, nur noch toller :) AJ hat seltsame Butter/Champagnersauce an ein paar bildschönen Salatblättern kredenzt bekommen, die wie das Himmelreich geschmeckt haben und ich hab mich überwunden und Ziegenkäse mit roter Beete und bunten Rübchen und roter Grapefruit als Vorspeise gegessen. Der Käse war allein grauslich und mit den restlichen Zeugs zusammen ein Gedicht. Wow! Nachher hat AJ Büffelsteak mit Spargel und seltsam veredelten Kartoffeln gegessen und war hin und weg und ich hab den besten Red Snapper meines ganzen jungen Lebens genossen (mit Honigglasur). Ich wusste nicht, dass man so perfekt Kochen kann. Nachtisch war bei hoffnungslos wegen Platzmangels, aber AJ hat eine Art offenen Apfelstrudel mit Ingwereis und Honig probiert, der ihn wieder mal in irgendwelche Sphären gebeamt hat. Sehr würdiger Platz für einen Hochzeitstag (es war noch ein mittelalterliches Paar da, die hatten auch ein wedding anniversary). Die ganzen Blockhäuser von Sundance sind superidyllisch und unaufdringlich in den Berg geschmiegt. Vom Gemütlichkeitsfaktor mit dem zu vergleichen, was man bei Hobbits erwarten würde :)

Die Idylle ist nur ein kleines bisschen bedroht durch die Schneeschmelze. Der Parkplatz sieht so aus, als würde er bald geflutet. Es sind auch schon viele, viele, viele Sandsäcke gebunktert worden :)

1. Mai

Hochzeitstag, diesmal wirklich! Und Traumwetter. Deshalb kein fauler Sonntag, sondern Auto volltanken und gen Norden nach Antelope Island und den großen Salzsee angucken. Die Fahrt war ereignislos — I-15 saust es sich am besten, wenn alle Mormonen im Tempel sind. Als Zweierpack sind wir auch schön Car Pool Lane gefahren, obwohl es heute keinen Vorteil gebracht hätte. Das macht nur Spaß, wenn man an massenhaft stauenden Einzelfahrern vorbeizwiebeln kann.

Muuuh!

Antelope Island soll (angeblich) so richtig ein Bison/Antilopen/Vogelschutzgebiet und Reservat sein. Wir haben ganze drei Bisons gesehen. Den Freund da oben mit den Löchern drin, seinen anderen Kunstkollegen und einen auf einem Straßenschild. Schwalben gab es ein paar, aber die waren viel zu quirlig, um sich fotografieren zu lassen.

Visitor Centre

Das Visitorcenter hat viel von einem Bunker. Macht aber nix. Die hatten wenigstens Postkarten, die ihren Namen und ihr Geld wert sind :) Wir haben uns ehrgeizig einen Höhenweg vorgenommen und uns vorher gut mit richtig giftig Insektenspray eingeduscht. Noch waren wir so naiv zu glauben, dass das einen Effekt hat. Naja, man lernt. Auf der Hinfahrt über eine 7 Meilen lange Straße haben wir erst gedacht, jemand würde sein Öl verfahren, weil da so schwarze Wolken nebendran waren. Näher dran haben sich diese Wolken als Fliegenschwärme (Kreuzung aus NZ-Sandfly und Midges und absolut resistent gegen Insektenschutzmittel) entpuppt.

Wilder Westen

Wildwestverkehrsmittelhierarchie — einfach köstlich. Jedes dieser Fotos wurde teuer mit unserem Blut erkauft. Im Gehen, aber vor allem im Stehen sind diese grusligen Insektenschwärme durstig über uns hergefallen:

AJ führt die typische Handbewegung vor. Wir konnten buchstäblich nicht die Finger voneinander lassen. Dauernd haben wir uns gegenseitig die Blutsauger abgewischt. Die haben uns wohl für besonders schmackhafte Bisons gehalten :(

Ausgesaugt und ausgelaugt haben wir gemacht, dass wir Land gewinnen und auch die Ostseite der Insel abgefahren. Mit Tempomat auf unterster Einstellung. Meile über Meile immer nur mit 30 Sachen durch die Gegend zu schieben, geht auf's Gemüt! Aber der Ausblick war fein!

Der zweite Bison. Der dritte war uns den Blutzoll nicht wert.

Rettendes Festland. Da gibt es komischerweise nicht so viele Blutsauger. Ich tausche auf keinen Fall im nächsten Leben mit einem Bison auf Antelope Island.

Die Tempomatenstrecke ... schön, aber irgendwann langweilig.

Blick zurück

So sieht es aus, wenn ich mich darauf vorbereite, wieder das Steuer zu übernehmen :)

Tja, den Vampiren entkommen hab ich uns dann wieder mit erlauber Höchstgeschwindigkeit plus ein bisschen mehr aus dem Kaiserwetter ins "Wasch-die-Vampirleichen-von-der-Scheibe"-Wetter nach Provo kutschiert. Da haben wir erstmal das Gift und die restlichen Blutsauger abgeduscht und sind dann subito nach Springville ins Kunstmuseum abgehauen. AJ hat es genauso gut gefallen wie mir beim ersten Mal. Heute gab es als Gratisbeilage eine Generalprobe für ein (seltsames) Chorkonzert dazu. War gut für die Atmosphäre, aber hören hätten wir es nicht wollen :)

Zum Abschluss haben wir Provo nach einem Restaurant mit Sonntagsservice abgegrast und nach mehreren Enttäuschungen auch eins gefunden — Olive Gardens genau um die Ecke vom Hotel. Sogar mit Wein! Und das am heiligen Sonntag! Himmlisch! Nur die Portionen sind yours truly viiiiiiiiiiel zu riesig.

Ist fein, seinen Mann hier zu haben. Unter anderem wird zum Beispiel die Reichweite von Ausflügen mit zwei Fahrern größer und Essengehen macht zu zweit einfach mehr Spaß :) Das sind natürlich nur zwei Vorteile von vielen :) Mir graut schon davor, den Kerl wieder in SLC abzuladen :(

"I don't know half of you half as well as I should like; and I like less than half of you half as well as you deserve."

Bilbo Baggins in "The Fellowship of the Ring"